„Shakespeares sämtliche Werke leicht gekürzt“ – die Q11 im Theater

Zweifellos ist Shakespeare einer der bedeutendsten Dramatiker der Weltliteratur: Irgendwann kommt jeder einmal mit diesem Engländer in Berührung und stellt alsdann fest, dass er nicht nur epochale Werke geschaffen und auf die Bühne gebracht hat, sondern auch noch Werke, die nicht nur in ihrer Zeit gewirkt haben, sondern über diese Zeit hinaus nachwirken, weil sie zentrale menschliche Fragen aufwerfen, ob nun in Form einer Liebesanleitung oder aber in der Gestalt eines Kataloges für Machthaber, wie sich ein Potentat sinnvoll seinen Beherrschten entgegenstellen sollte – gar muss, um zumindest ein wenig länger zu leben als die mysteriöse Voraussage scheinbar ungefragter Hellseher.

Bedauerlicherweise stellt der geneigte „Shakespeare-Euphoriker“ fest, dass es nicht wenige Werke sind, die der fleißige englische Dramaturg der Menschheit hinterlassen hat, vielmehr eine Unmenge an Dramen, mit denen er nicht nur das damalige Londoner Publikum unterhalten hat, sondern auch das heutige Bildungsbürgertum, welches fleißig in die Theaterhallen strömt, um sich dem noch immer guten, scheinbar aber längst vergessenen wiewohl schweren Shakespearewerk zu widmen. Welch eine Aufgabe…

Insofern ist es – scheinbar! – ein dankbares Unterfangen, wenn sich das Landestheater Coburg nunmehr bemüht, aus der Vielzahl der Dramen des großen englischen Dramatikers eine abendfüllende Aufführung zu gestalten. Und es ist, so meint man, nicht wirklich schwierig, denn Shakespeare hat ja entweder die Tragödien verfasst, an deren Ende immer einer stirbt, oder die Komödien, an deren Ende alle glücklich und zufrieden sind ob der intriganten wie lustigen Entwicklung. Keine schwierige Aufgabe.

Der Narr steckt wie immer im Detail. Natürlich kann man alle Dramen auf eine einzige Vorstellung zusammensieden und hoffen, dass der Zuschauer nicht merkt, wie man das Werk hier wie da zusammenschmilzt, zusammenpoltert, darauf bauend, dass man 90 Minuten ausfülle – und irgendwie noch die Handlungen der vielen dramatischen Werke rette. Wie soll aus einem Macbeth, einem machthungrigen Schotten, ein verzogener Psychopath aus Dänemark namens Hamlet werden, wie soll aus dem selbstverliebten Caesar irgendwann der liebestolle Romeo erstehen – und vor allem, wie sollen sich Fabeltiere, Elfen aus all den menschlich tragischen wie bemitleidenswerten Gestalten erheben? Eine unmögliche Aufgabe!

Und doch scheint es aufgegangen zu sein. Ein lustiges Amüsement, ein Abend, der das Zwerchfell derart beansprucht hat, dass man sich wünscht, erneut in diese Vorstellung gehen zu können, gehen zu dürfen, unterhielt derart wundervoll, dass das Magische des Abends die Zusammenstellung der Werke überdauerte.

Drei Schauspieler, die sich mit einer fantastischen Energieleistung den vielen Werken, den seit jeher zu Klassikern erklärten Dramen, gewidmet haben, stellten in einem rasanten Tempo die Werke des englischen Theatergenies dar – und jeder wusste am Ende des Abends, worum es grob in den Dramen geht und wie diese sich thematisch berühren, zum Teil sogar überschneiden, bisweilen auch ergänzen…

So nahm man die Zuschauer zu Beginn mit nach Verona: Die traurige Liebesgeschichte von Romeo und Julia, eher orientiert an der tragisch schweren Vorlage. Am Ende lacht alles und liegt sich irgendwie herzlich in den Armen, wie es die Tränen trocknet ob des Abgesangs der beiden verstorbenen liebestollen Gestalten.

Einen weiteren Höhepunkt stellte eine Kommentierung des Fußballspiels zwischen den vielen englischen Königen dar. Nach einem Hin und Her und der Einsicht, dass ein Foul nicht gleich ein Foul sei, vor allem dann, wenn einer der Spieler seinen Kopf verliert, triumphierte schließlich Heinrich VIII.

 

Schließlich, dem Ende entgegen, trat ein dänischer Prinz vor die Zuschauer und gemahnte, dass er sich rächen müsse für den Tod an seinem Vater durch seinen Stiefvater. Ein Gespräch, durchaus begleitet mit psychologischer Unterstützung, hätte die Katastrophe sicher abwenden können; so aber sterben die Figuren wie die Fliegen und Hamlet deutet an, warum sein verkannter Charakter, ein edelmütiger Held, sehr wohl das Potenzial gehabt hätte, in der Postmoderne Züge eines bestialischen Serienmörders zu haben, der einfach zu wenig verstanden, zu wenig geliebt worden ist.

Erst recht vollkommen verständlich, als man den Hamlet rückwärts gegeben hat.

Es war ein fantastischer Abend, eine Vorstellung, die erneut Lust auf mehr gemacht hat. Die grandiose Leistung der drei Schauspieler wurde mit tosendem Applaus gewürdigt. Welch eine Leistung!

Und am Ende? Es war eine schwere Aufgabe, eine Herausforderung, aber heldenhaft haben die drei Schauspieler es geschafft, den Geist des grandiosen englischen Theaterschöpfers nachzuerzählen – und doch vollkommen in ein neues Licht zu stellen.

Vielen Dank!