im Klassenzimmer

„O Philosophie, Lenkerin des Lebens, Entdeckerin der Tugend, Siegerin über die Laster!
Was wären nicht nur wir, sondern das Leben der Menschen überhaupt ohne dich?“

Cicero (106–43 v. Chr.) in Gespräche in Tusculum
zit. nach: Will Buckingham u.a.: Das große Philosophiebuch, S. 14

 

Romane und Sachbücher zur Philosophie erfreuen sich seit einigen Jahren steigender Beliebtheit. Jostein Gaarders Erfolgsroman „Sofies Welt“ (1991) und Richard David Prechts ebenso gut lesbares und wie lesenswertes Sachbuch „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ (2007) sind im deutschsprachigen Raum die wohl bekanntesten Beispiele, die zu Recht ein Millionenpublikum erfreuen. Philosophische Fragen und Themen, wie sie in Gaarders und Prechts Büchern vorgestellt werden, begleiten die Menschen seit mehr als 2500 Jahren. Was mit dem griechischen Mathematiker und Philosophen Thales von Milet (um 624–546 v.Chr.) vor über zweieinhalb Jahrtausenden im Abendland begann, war nichts Geringeres als eine Revolution des Denkens. Heute präsentiert sich die Philosophie als eine breitgefächerte Wissenschaft. Ein Teilbereich der Praktischen Philosophie bildet die Ethik. Aktuelle Bedeutung erhält und erhöhte Aufmerksamkeit erfährt diese Disziplin durch die Entwicklungen in Politik und Gesellschaft, die den öffentlichen Diskurs prägen. Was aber ist Ethik? Die von 1981 bis 2001 auf dem Lehrstuhl von Karl Jaspers in Basel lehrende deutsche Philosophieprofessorin Annemarie Pieper definiert Ethik wie folgt:

„Die Ethik als eine Disziplin der Philosophie versteht sich als Wissenschaft vom moralischen Handeln. Sie untersucht die menschliche Praxis im Hinblick auf die Bedingungen ihrer Moralität und versucht, den Begriff der Moralität zu begründen. Dabei ist mit Moralität vorerst jene Qualität gemeint, die es erlaubt, eine Handlung als eine moralische, eine sittlich gute Handlung zu bezeichnen.“ (Einführung in die Ethik, S. 17)

In einer zunehmend komplexen Welt, die sich in der Wahrnehmung vieler Menschen in einem atemberaubenden Tempo täglich verändert wünschen sich vor allem Kinder und Jugendliche Orientierung. Diese bietet das Fach Ethik, das – wie der gymnasiale Lehrplan formuliert – „die Suche junger Menschen nach einer verlässlichen moralischen Orientierung in der Welt von heute“ unterstützt. Der Begriff „Ethik“ leitet sich vom griechischen Wort „ethos“ her, das mit „Wohnsitz“, „Heimat“, „gewohnter Aufenthalt“ oder „Sitte“, „Brauch“, „Gewohnheit“ übersetzt wird. Mit Aristoteles (384–322 v.Chr.) beginnen die Abgrenzung von theoretischer und praktischer Philosophie und die Begründung des philosophischen Teilbereichs als eigenständige Wissenschaftsdisziplin. Mit ihm wird, wie Peter Köck im „Handbuch des Ethikunterrichts“ formuliert, „Ethik zur Theorie und zum praktischen System moralischen Handelns“ (S. 11). Ethik fragt „als wissenschaftliche Disziplin und Lehre von der Moral nach dem Guten überhaupt sowie nach daraus ableitbaren allgemein gültigen Normen der individuellen und sozialen Lebensführung“ (S. 15). Das Fach Ethik weist über die Behandlung theoretischer Fragen immer auf ihr eigentliches Bezugsfeld hin: die Wirklichkeit. Damit verbunden sind zahlreiche Vernetzungen mit anderen Fächern und Wissenschaftsdisziplinen, wie beispielsweise Psychologie, Pädagogik, Politikwissenschaft, Soziologie, Medizin, Biologie oder Theologie.

Der Lehrplan für das Gymnasium für das Fach Ethik füllt diese abstrakten Formulierungen in den Jahrgangsstufen 5–12 mit unterschiedlichen Inhalten. Er beruht auf vier Schwerpunkten:

  • der Einzelne und die Gemeinschaft
  • Urteils- und Handlungskompetenz
  • Religionen und ihre Ethik
  • Bereichsethiken und interdisziplinäre Fragen