Besuch des Deutschen Bundestags

Besuch des Deutschen Bundestags

Das Highlight der diesjährigen Berlinfahrt für 58 Schüler und Schülerinnen des Alexandrinums war der Besuch des Deutschen Bundestags. Dort durften sie einen Blick auf den Plenarsaal werfen. Anschließend kamen sie mit ihren beiden Abgeordneten Herrn Dr. Geissler (CSU) und Herrn Dr. Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) ins Gespräch.

Die beiden Abgeordneten erzählten den Schülern und Schülerinnen aus ihrem politischen Alltag. Herr Dr. Wagner erklärte den Jugendlichen, dass er die Vielfalt der Perspektiven in der Demokratie besonders schätze.  Unterschiedliche Lösungsansätze für Probleme miteinander auszuhandeln und konstruktiv miteinander zu streiten, seien wichtige Merkmale einer freiheitlichen Ordnung. Gespannt lauschten die Jugendlichen  dem Bericht beider Abgeordneten zu ihrem enormen Arbeitspensum während der Sitzungswochen in Berlin. Ob sie sich bedroht fühlten wegen der vermehrten Angriffe gegen Politiker im Wahlkampf, wurde ebenfalls thematisiert. Herr Wagner und Herr Geissler demonstierten Geschlossenheit gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und betonten, dass ihre Parteien zwar verschiedene Lösungsansätze für politische Probleme hätten, innerhalb der demokratischen Parteien aber Konsens darüber herrsche, dass Aushandlungsprozesse stets konstruktiv stattfinden müssten, ausgerichtet am Gemeinwohl.

Herr Dr. Geissler ist Pate von Viktoria Weibelzahl (10b), die am Parlamentarischen Partnerschafts-Programm teilnimmt und im kommenden Schuljahr ein Jahr in den USA verbringen wird. Im Zuge der Vorbereitungen zu diesem besonderen Lebensabschnitt trafen die beiden sich im Paul-Löbe-Haus und sprachen über Gastfamilie, Reise, Ängste und Vorfreude. Herr Dr. Geißler führte Viktoria auch kurz durchs Haus und zeigte ihr einen der Sitzungssäle, in denen die parlamentarischen Ausschüsse tagen.

Der Besuch unserer Volksvertreter wird den Schülern und Schülerinnen unvergessen in Erinnerung bleiben. Wir danken den beiden jungen Abgeordneten für ihr Engagement und ihren unermüdlichen Einsatz zum Wohle des deutschen Volkes.

 

Demokratie lernen? – Indem man Verantwortung für sich in einem Klassenparlament übernimmt

Das Klassenzimmer der 9c ist umgeräumt. Vorn, in der Mitte, dort, wo sonst die Lehrkraft aktiv den Unterricht hält, steht nunmehr ein Rednerpult: Die Macht des Wortes, die Chance auf den geregelten Austausch von Argumenten.

Der Lehrer? Er räumt die Mitte seines Arbeitsbereichs, sitzt am Lehrerpult und eröffnet die erste Sitzung des Klassenparlaments der 9c. Man werde heute darüber abstimmen, ob die Klasse 9c außerhalb der Unterrichtszeit nach Nürnberg ins Reichsdokumentationszentrum fahren wolle.

Die Sitzungsglocke tönt das erste Mal. Tobias Pohl, die Lehrkraft der Klasse 9c, nun reduziert auf den Protokollanten der Sitzung, bittet die erste Rednerin nach vorn. Energisch setzt diese sich für die Fahrt nach Nürnberg ein. Es gehe darum, dass man nicht nur im Klassenzimmer lerne, nicht nur für die nächste Stunde lerne; es geht hier darum, dass man für sich selbst lerne und begreife, dass der Besuch des Reichsdokumentationszentrums im Sinne des Verstehens der eigenen Geschichte förderlich, gut und sinnvoll ist.

Es ist eine erste Rede, die es in sich hat. Das Plenum hört dabei nicht nur aufmerksam zu; vielmehr gibt es erste Zwischenrufe. Der Protokollant am Rande der Debatte schweigt. Die Glocke bleibt stumm.

Sodann bittet Tobas Pohl die nächste Rednerin ans Rednerpult. Sie beginnt langsam ihre Rede, leise. Dann aber steigert sie sich: Sie erinnert an die Wichtigkeit des Verstehens der Geschichte des Nationalsozialismus. „Gerade deshalb müssen wir jede Gelegenheit nutzen, die sich uns bietet, um unser Wissen um diese Diktatur zu vertiefen!“

Leiser Applaus auf der einen Seite, ablehnendes Gerede auf der anderen Seite. Und dazwischen die Rednerin, die zunehmend energischer auftritt: Auch sie verweist darauf, dass das Lernen nicht nur im Unterricht geschieht; zudem merkt sie an, dass es sich bei der Fahrt nach Nürnberg um eine einmalige Angelegenheit handle, ein Samstag von vielen.

Das Plenum bleibt nicht ruhig. Fair, aber dennoch bestimmt zeigt man der Rednerin an, dass man die Meinung nicht teilt, dass man sie ablehnt…

Es ist keine normale Unterrichtsstunde. Vielmehr brandet eine Debatte auf, die viele Ähnlichkeiten besitzt mit einer Diskussion aus den Plenarsälen in München und Berlin. Selbst die Presse ist dieses Mal anwesend.

Eine weitere Rednerin wird an das Pult gebeten. Sie schaut ihre Vorredner an, sie stimmt den Argumenten ihrer Vorredner zu, sie führt sie aus, sie… Sie bricht ab und verweist auf diejenigen Aspekte, welche die Vorredner nicht gesehen haben, nicht sehen wollten. Es werde gebaut in Nürnberg. Die Fahrt sei lang, der Besuch des Reichsdokumentationszentrums dagegen recht kurz. Man müsse abwägen zwischen dem, was man mit dieser Fahrt erreichen möchte, und dem, was man hierfür aufbringen müsste.

„Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?“

Die Rednerin stockt, nachdem der Protokollant sie darauf hingewiesen hat, dass eine Schülerin aufgestanden ist und bereit ist, eine Zwischenfrage zu stellen. Sie muss die Zwischenfrage nicht zulassen, sie kann ablehnen und mit ihrer Rede fortfahren. Diese Möglichkeit sieht eine demokratische Plenumsdebatte vor. Sie nickt.

„Es geht ums Lernen, es geht ums Verstehen einer zentralen Epoche der deutschen Geschichte. Muss man da wirklich abwägen?“

„Ja, denn neben der verpflichtenden Fahrt zu einer Gedenkstätte ist die Frage durchaus erlaubt, ob man zusätzlich noch zum Reichsdokumentationszentrum fahren soll.“

Beide schneiden sich sachlich an, beide schauen sich scharf an. Es geht nicht um das Persönliche, vielmehr um die Sache an sich, vielmehr darum, ob man sich als Klassengemeinschaft zu dieser Fahrt durchringen kann. Oder aber nicht.

In dieser Form geht die Debatte weiter. Die Zwischenrufe branden auf, der Protokollant und Sitzungsleiter, Tobias Pohl, geht mit seiner Glocke dazwischen.

Am Ende stimmt die Klasse ab. Man entscheidet sich mit großer Mehrheit gegen die Fahrt zum Reichsdokumentationszentrum. Kurze Stille!

In seine Rolle als Lehrkraft zurückgekehrt ist Tobias Pohl ob des Ausgangs der Debatte traurig. Gerne wäre er nach Nürnberg gefahren… „So aber ist Demokratie!“

Folglich freut er sich darauf, die nächste Debatte zu leiten. Hierbei wird es darum gehen, ob sich die Klasse dazu entschließt, eine kreative Aktion in Coburg durchzuführen.

Das ist Demokratie! Ein neues Thema, eine neue Debatte, eine neue Abstimmung und dazwischen der bereits jetzt stattfindende geregelte Austausch von Argumenten. Das ist Demokratie…