Vortrag mit Prof. Dr. Brückner zur Wahl des Europaparlaments

Kann ich etwas Falsches wählen?

Vortrag mit Prof. Dr. Brückner zur Wahl des Europaparlaments

Die Wahl zum Europaparlament ist in diesem Schuljahr nicht nur deswegen in aller Munde, weil erstmals auch Sechszehnjährige wählen dürfen, sie ist auch deshalb öffentlich sehr präsent, weil sie aufgrund der medialen Vorgänge und Debatten zu einer scheinbaren Schicksalswahl stilisiert wird.

Obschon der Verweis auf die Schicksalswahl einer Übertreibung gleichkommt, sind es dennoch die Vorgänge und Entwicklungen in Deutschland und Europa, die der Politik wie der Öffentlichkeit Sorgen bereiten: Ein Treffen rechtsextremer Persönlichkeiten in Potsdam, welches sich mit Fragen der „Remigration“ beschäftigt, einem im rechtsextremen Spektrum bekannten Begriff für millionenfache Abschiebung, daneben eine zunehmende Verrohung innerhalb der demokratischen Debatte, bei der Politikerinnen und Politiker Opfer von Gewalt werden, zudem die fragwürdigen Entwicklungen um zwei Spitzenkandidaten der AfD, so u.a. mit Blick auf Landesverrat und Äußerungen, die die NS-Geschichte verharmlosen, eine Entwicklung, die sogar dazu geführt hat, dass sich europäische Rechtspopulisten von der AfD distanzieren, sie gar aus der europäischen Fraktion hinausgeworfen haben.

Aus diesem Anlass heraus hat Herr Prof. Dr. Brückner, Referent von TEAM EUROPE DIRECT, vor Schülerinnen und Schülern der elften Jahrgangsstufe über die Bedeutung der Europawahl referiert und dabei die populistischen Entwicklungen aufgezeigt und mit ihnen reflektiert.

In seinem Referat ging er auf die Stellung des europäischen Parlaments ein. Gerade die Tatsache, dass sich das europäische Parlament im Laufe seiner Existenz immer mehr Rechte erkämpft hat, zeigt die zentrale Bedeutung der Wahlen zum Europaparlament. Natürlich räumt er ein, dass das europäische Parlament noch lange nicht über die Möglichkeiten nationaler Parlamente verfügt, gerade mit Blick auf die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rat, dem Europäischen Ministerrat sowie der Europäischen Kommission, aber er macht deutlich, dass das Europäische Parlament zunehmend an Macht und Einfluss gewinnt, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament langsam an die nationalen Wahlen angeglichen werden, bedenkt man, dass die Europäischen Fraktionen mit Spitzenkandidaten in die Wahl gehen, Spitzenkandidaten, die die Möglichkeit erhalten, zum Präsident der Europäischen Kommission ernannt zu werden.

Nach Abschluss dieses knappen, aber notwendigen Institutionenüberblicks geht Brückner genauer auf den Rechtspopulismus ein. Hierbei stellt er klar, dass der europäische Rechtspopulismus ein Narrativ nährt, welches davon ausgeht, dass in der Vergangenheit alles besser war, dass die Europäische Union in ihrer derzeitigen Verfassung undemokratisch, weil zu bürokratisch, sei, und dass die Europäische Union mit Blick auf die einzelnen Nationalismen neu gegründet werden muss. Hierbei geht der Referent auf die einfachen Antworten der Rechtspopulisten ein, die keine echten Lösungenfür  komplexe Herausforderungen bieten können. Er macht deutlich, dass die angesprochenen Probleme durchaus existent sind, gleichwohl aber mahnt er an, dass die im Rechtspopulismus verbreiteten Antworten auf die Herausforderungen nicht nur oberflächlich sind, vielmehr auch an der politischen wie gesellschaftlichen Realität vorbeigehen. Gerade mit Blick auf die Flüchtlingspolitik zeigt sich dieser logische Fehlschluss seitens der Rechtspopulisten.

Abschließend thematisiert er die derzeitigen Entwicklungen in Deutschland im Fahrwasser des europäischen Wahlkampfes. Sorgen bereitet ihm hierbei durchaus der politische Entpuppungsvorgang der AfD, gerade mit Blick auf das Verhältnis mit den französischen und italienischen Rechtspopulisten. Gleichzeitig aber weist er darauf hin, dass die Europäische Union die Kraft hat, die Rechtspopulisten einzufangen und zu zähmen; gerade das Beispiel der italienischen Ministerpräsidenten Meloni, eingehegt in das europäische Gefüge, zeugt davon, dass diejenigen, die im Vorfeld mit extremen Positionen geworben haben, im Nachgang Abschied nehmen müssen von diesen, weil sie nicht mehrheitsfähig sind und hierbei die Gefahr besteht, isoliert zu werden. Natürlich gibt er aber zu bedenken, dass ein solches Vertrauen auf die Machtverteilung der europäischen Institutionen keine Garantie dafür sein kann, dass man auf lange Sicht die rechtspopulistischen und extremistischen Kräfte zähmen kann; traurige Zeugnisse hierfür sind nicht nur die Verhältnisse in Ungarn und die Vorgänge in Polen, bedenkenswert ist zudem das zunehmende Erstarken nationalistischer Kräfte, die einem zunehmend antieuropäischen Denken Stimme und politisches Gewicht verleihen.

Insofern ist es notwendig, die Wählerinnen und Wähler darüber aufzuklären, wie das politische Europa funktioniert, wie abhängig die deutsche Wirtschaft vom europäischen Markt ist, wie sinnvoll und überzeugend das europäische Friedensprojekt ist, auch für die Bundesrepublik. Insofern ist es noch essenzieller, den Fokus auf die wichtigen und wesentlichen Herausforderungen zu lenken, anstatt Populisten und deren Thematisierungswünschen auf den Leim zu gehen. Hier gilt es, frei nach dem Motto der Aufklärung, sich seines Verstandes bedienen zu dürfen!